Vergebung

Vor einigen Monaten habe ich nachts geträumt, dass ich Grabsteine machen soll. Und im selben Traum wurde mir eingespielt, dass ich meinem 2001 verstorbenen Vater einen Stein mit dem Wort „Vergebung“ aufs Grab legen soll. Vor Allerheiligen war ich endlich in meiner Geburtsstadt Zell am See, um diesen Auftrag zu erfüllen. Bei tristem Regenwetter bin ich am nebelverhangenen See zum idyllischen Bergfriedhof hinausspaziert und habe mir Gedanken über das empfangene Wort gemacht. Denn ich habe das Gefühl, mit meinem Vater im Reinen zu sein, auch wenn vieles zwischen uns unausgesprochen blieb.

Seelenfrieden

Als ich dann vor dem Grab kniete, und mich mit ihm verbunden wie schon lange nicht fühlte, verstand ich auf einmal, was mit „Vergebung“ gemeint war. Es war sein Wort, nicht meines. Diese Erkenntnis, dass er dort, wo er jetzt ist, seine Seelenruhe gefunden hat, und auch die Vergebung, die er wahrscheinlich suchte, hat mich tief berührt. So hatte ich dank meines kleinen, für ihn gefertigten Grabsteines 18 Jahre nach seinem Tod eine sehr tröstliche und friedvolle Begegnung mit ihm.

Schmerz und Stille

Genau das ist es auch, was ich an Friedhöfen mag. Immer wieder zieht es mich hin, weil es nicht Plätze für schmerzvolle Gefühle, sondern auch für tiefe Erkenntnisse, Stille, Trost und Frieden sind. Ich mag es, zwischen den Gräbern herumzuwandern, alte Grabsteine zu entziffern und über die Endlichkeit des Erdenlebens nachzudenken. Es gefällt mir auch, wie die Natur verlassene Gräber zurückerobert und sie mit Efeu und Moos überzieht.

Bis in alle Ewigkeit

Vergangene Woche hat mir eine Freundin, die kurz hintereinander beide Elternteile verloren hat, einen wunderschönen Gedanken mitgegeben: Wir sollen nicht auf die Toten zurückblicken, sondern ihnen entgegensehen. Ob im Himmel, in diesem oder im nächsten Leben – sie werden uns wieder begegnen, in welcher Form auch immer. Denn die gemeinsame Zeit hat eine Verbundenheit geschaffen, die für die Ewigkeit ist.

Grab- und Gedenksteine

4 thoughts on “Vergebung

  1. Liebe Ines, ich verstehe dich sehr gut und das ist schön. Obwohl ich meine, meinen Seelenfrieden gefunden zu haben, vertieft diese berührende Geschichte wieder meine Verbundenheit zum Verstorbenen. Ich danke dir dafür!

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